Angkor Wat, Cambodia
Journalismus,  Reisen

Wo der Mond an Lara Crofts Cocktail nippt

Kambodscha

Goldgelb und riesengroß, als wolle er am Cocktail nippen, hängt der Mond über der Brüstung des Sokha-Angkor-Apartments. Grillenzirpen, Nachtgeräusche, sanftes Plätschern aus dem beleuchteten und von Khmerstatuen bewachten Pool.

Blühender Hibiskus, Kardamom und tropische Gewächse verströmen ihren Duft, sie verleihen dem Abend ihre eigene Note. In Kambodschas geschichtsträchtiger Stadt Siem Reap im Norden Kambodschas erzählt Gregor S., ein Hamburger Banker, auf dem Balkon seines Apartments, was ihn hierher trieb. Unsere Sundowner schimmern blau wie der Salzwasserpool zu unseren Füßen. Der 34-Jährige will sich hier zwei große Träume erfüllen:

Gregor weiß alles über die Könige und noch mehr über Videospielfigur Lara Croft alias Angelina Jolie, als diese noch nicht ständig im Doppelpack mit Brad Pitt auftrat. Gregor ist sich darüber im Klaren, dass es sich ein wenig spinnert anhört, aber Siem Reap und das Sokha-Angkor-Hotel bringen seine Wünsche auf einen Nenner.

Von der Hotelloggia nämlich können wir die Spitzen der berühmten Tempelanlagen von Angkor Wat sehen, in denen Angelina Jolie als Archäologentochter Lara Croft an den baumbewachsenen Gesteinsformationen herumkletterte und dabei weder mit dem Einsatz von echten als auch den berüchtigten Waffen einer Frau geizte.

Anders als bei dem vormaligen König, King Father Norodom Sihanouk, der schon im Sokha-Angkor-Hotel gespeist hat, macht Gregor sich natürlich keine Hoffnungen, Angelina in persona zu treffen.

Lara Croft springt zwischen Baumwurzeln von Angkor Wat

Noch vor einer halben Stunde glitt der Sonnenuntergang entlang des Tonle-Sap und verzückte mich genau wie alle Reisenden. Fasziniert quetschten wir uns an der Reling des Schnellbootes aus Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh. Bei der Landung am Kai von Siem Reap sehen wir, die Nichteinheimischen, uns aus romantischer Bordstimmung direkt in die Arme lautstarker, selbst ernannter Guides entlassen. Ganz und gar nicht asiatisch zurückhaltend, bestürmen die geschäftstüchtigen Männer jeden, der über das wacklige Treppchen kommt. Wie Obstfliegen in einer Falle verschwindet ein Tourist nach dem anderen in einer der wenig seriös wirkenden Karossen. Ob dabei Taxikunden sicherer aufgehoben sind als jene auf zerknautschten Tuk-Tuk-Polstern unter den Baldachinen motorisierter Rikschas, vermag ich nicht abzuschätzen. Nicht wenige der Fahrer halten sich offenbar für einen unentdeckten Schumi.

In nur fünf Minuten ist der Anlegerplatz fast leer gefegt. Von uns drei wehrhaften Frauen hat schließlich auch der letzte Guide abgelassen. „There will be no Taxi later!“, warnt der erboste Mann und braust in seinem knatternden Motorrad-TukTuk ohne Fahrgäste und Verständnis für die störrischen Touristinnen ab.

Buon Sung, ein schmächtiger Kambodschaner mit Ferrariaufdruck auf dem Baseballcap, ist sicher; dies sind seine Kundinnen. Geduldig wartet er, klemmt dann seine selbstgedrehte Zigarette hinters Ohr und unterbreitet den beiden Österreicherinnen Isa W. und Gerlind A. und mir in aller Ruhe sein Angebot. Fünfundzwanzig Dollar Festpreis, dafür würde er uns morgen Angkor Wat zeigen und uns heute vor allem zu einem Hotel eigener Wahl bringen.

Wegen der verlockenden Aussicht auf erholsame Nächte, das wohlverdiente Wellnessprogramm im hauseigenen Jasmin Spa, dem gut ausgestatteten Business-Center, kommt für die Wiener Geschäftsreisenden nur das „Sokha Angkor“ in Frage. „Good Choice“, kommentieren Buon Sung und ich gleichzeitig. Dann lassen wir uns erschöpft in der liebevoll bemalten Rikscha über Siem Reaps Kopfsteinpflaster schunkeln. Trotz der anstrengenden Beinarbeit unterhält Buon Sung sich mühelos: Ja, er sei in Siem Reap geboren. Der Name bedeute „Ort der Niederlage der Siamesen“. Damit bezögen sich die Namensgeber auf einen Sieg der Khmer über das Heer des Thai-Königreiches Ayutthaya im 17. Jahrhundert.

Kameras bitte anschnallen

Niemand hat etwas gegen Sungs Vorschlag einzuwenden, einen kurzen Abstecher zu einem der zahlreichen Wats, einem buddhistischen Kloster, zu machen. Buon Sungs Mitteilsamkeit stimmt uns froh, da wir zum Fragen zu müde, aber dennoch wissbegierig sind. Sung versäumt nicht, den alten Markt in froh gemuter Fahrt zu streifen, wo er auf einige der weniger beschädigten oder restaurierten Häuser im französischen Kolonialstil aufmerksam macht. Verschämt plaudert der Kambodschaner weiter, als wir, etwas abseits der bereits entzündeten Laternen, sich küssende Paare kreuzen: Als Lehrer habe er nicht überleben können, mit 25 Dollar im Monat käme niemand zurecht, als Touristenführer erwirtschafte er das nun an einem Tag. Gerlind nutzt die Gelegenheit, aus dem Rikschafond heraus zu fotografieren. Eindringlich bittet der Guide sie, die Kamera am Handgelenk festzuzurren. Immer wieder gäbe es Mopedgangster, die Gepäck und besonders gern Fotoapparate aus den langsamen Fahrradtaxis rissen.

Dann nehme ich meine Kamera nach Angkor Wat lieber gar nicht mit?“, fragt Isa verunsichert. So schlimm sei es nun auch wieder nicht, beruhigt Buon Sung und schmunzelt in den brüchigen Rückspiegel. Beiläufig, aber charmant insistierend schließt er die Frage an: Ob die Damen ihn denn morgen noch einmal buchen wollten? Wie lang wir denn in Siem Reap bleiben werden?

Nur zwei Nächte! Sungs Entsetzen scheint echt: Dann bliebe ja gar keine Zeit, die aus Pfahlbauten und Hausbooten bestehenden „schwimmenden Dörfer“ entlang des Tonle Saps zu besichtigen. Auch das Vogelschutzgebiet Prek Toal würden sie dann wohl nicht sehen. „How sad“, der Guide scheint wirklich traurig. Um sich und seine Schützlinge gleich darauf zu trösten: Dann hätten wir wenigstens einen Grund, bald wiederzukommen.

Sein Vorschlag, gleich morgens gegen sechs nach Angkor aufzubrechen, macht Isa stutzig. „But the light! Is only best on early morning!“, gibt der Guide überzeugend zu bedenken. „Und bezahlen?“ Nein, er würde uns morgen erst nach Angkor bringen. Er wolle doch noch so viel zeigen. Sagt es fast vorwurfsvoll, als verhinderten Geldverhandlungen einen guten Eindruck seiner Heimatstadt. Wie ertappt springt Sung am nächsten Morgen von seinem Schumacher-Ferrari-roten Sattel auf. Im Arm hält er stolz einen Motorradhelm. Die beiden Wienerinnen wirken nicht wesentlich ausgeruhter als ich.

Sie seien mit Gregor, dem Hamburger, im Casino „versumpft“, erfahre ich von Isa. Mein Abend endete bei dem einen oder anderen vorzüglichen Wein in der Champa Lounge, wo ich Alexander Scheible, den schwäbischen Senior Executive Chef des Hotels, kennen lernte. „Es gibt hier eine unglaublich große Zahl verschiedener Gemüse, Gewürze und Früchte, die bei uns zu Hause entweder als exotisch verschrien oder überhaupt nicht erhältlich sind,“ hatte Scheible mich ins Gespräch gezogen. So erfuhr ich, dass Scheible versuchte, soviel wie möglich bei den örtlichen Bauern zu kaufen und dass „Grilled beef und Mekong River Lobster Medallion on truffled Soy Vinaigrette“ am häufigsten bestellt wird. Gern ließ ich mich vom Chefkoch zu einer ausgesprochen delikaten Kostprobe verleiten. Dass ich mich zu nachtschlafener Zeit von meinem interessanten Gesprächspartner dann noch auf ein Guinness im Irish Pub einladen ließ, lag vor allem an seinen Berichten, schließlich hat Scheible schon Caterings für den Königspalast zusammengestellt und Seine Majestät, King Father Norodom Sihanouk (den ehemaligen König), verköstigt. Beim „Meeting of the eminent people of Asean countries“ konnte Scheible acht ehemalige Staatsoberhäupter und deren Gäste zufrieden stellen.

Preise nach Gewicht

Ganz begeistert berichte ich Isa und Gerlind, dass Scheibles Team ein Gala Set Dinner planen, das vom Premierminister Hun Sen in den Angkor-Wat-Tempel-Anlagen für ungefähr 500 Leute gegeben werden soll.

„Apropos Angkor Wat“, sagt Gerlind, ob Sung mit zehn zusätzlichen Dollar für einen weiteren Fahrgast einverstanden sei? Unser Fahrer schätzt Gregor auf nicht mehr als 70 Kilo, mit der Aussicht auf eine höhere Tageseinnahme und nicht viel Mehrarbeit willigt Sung gern ein.

Der Guide muss sich mit seinem ganzen Gewicht aufstemmen, um die Balance zu halten, während wir hochgewachsenen Europäer uns auf die Rückbank zwängen, die gerade ausreicht, wenn Isa und Gerlind übereinander gestapelt sitzen.

Morgensonne taucht das Wahrzeichen des Landes, die fünf Türme Angkors, in ein solch intensiv rotes Licht, das wir für einen Moment sogar vergessen zu fotografieren. „Das muss man einfach selbst gesehen haben“, Gregor ist hingerissen. Monumental ragen die Gesteinsformationen in den erwachenden Tag und verschaffen sich Raum im ersten Licht. Vögel zwitschern, in der feuchten Morgenkühle dampfen die Motorhauben der wenigen sprotternden Mopeds. Gerlind quiekt überrascht auf: „Das sind ja noch Kinder!“ Sung strampelt sich auf einer staubigen Straße voran: Das sei normal in Kambodscha. Nach rund 20 Minuten passieren wir die Eintrittstore zum Heiligtum. Die 10-Dollar-Tickets sind schnell gekauft, Sung fährt durch einen Wald, schließlich landen wir an einer Brücke. Sung weist nach rechts ins schattige Dunkel. „There you go“, schmunzelt er. Schließlich weiß der Guide genau, was seine Schützlinge erwartet.

Zu Recht sind die Heiligtümer Sungs und der Stolz seines Landes: Angkor Wat, Angkor Thom, Bayon. Die Tempel­städte im tropischen Urwald wurden ab dem 9. Jahrhundert von Khmer-Königen errichtet. Im 15. Jahrhundert ging das Imperium unter, es blieben Ruinen. Würgfeigen, riesige Karpok-Bäume eroberten sich dieses mystische Reich aus moosbewachsenen Skulpturen, Türmen und Kegeln aus Laterit und Sandstein.

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert