stern.de: Newton Revolutionär oder Frauenfeind

Bis heute polarisiert Helmut Newton mit seinen Fotografien. Zwischen genial und frauenfeindlich schwanken die Einstufungen. Seiner Berühmtheit tun diese Diskussionen keinen Abbruch.

Auf einem Porträt, das seine Frau von ihm gemacht hat, trägt er Stöckelschuh und Hut. Der Fotograf Helmut Newton lächelt den Betrachter gelassen an, als wisse er mehr als andere. In diesem Jahr wird er 81 Jahre alt. Mit seinen Fotografien, die Inszenierungen sind und »Sex wollen, nicht Erotik«, scheidet Newton nach wie vor die Geister. Die einen sehen ihn als Revolutionär, die anderen verachten seine Arbeiten, weil sie sie frauenfeindlich finden.

Erste Kamera vom Taschengeld

Obwohl Newtons Akte an der Oberfläche bleiben, provozieren sie in ihrer Kälte. Bei einigen möchte man empört einschreiten, bei anderen schockiert wegsehen. Seine erste Begegnung mit der Fotografie schildert Newton so: »Eines Tages im Jahr 1932, als ich zwölf Jahre alt war, ging ich in eine Art Tante-Emma-Laden in Berlin und kaufte mir von meinem Taschengeld eine Kamera. Es war eine Zeiss Box Tengor für 3,50 Mark, inklusive einer Filmrolle. Ich weiß immer noch nicht, warum ich das getan habe.« Doch als seine schulischen Leistungen zu wünschen übrig lassen, schließt seine Mutter die Kamera weg und setzt Nachhilfestunden an.

© Helmut Newton Foundation

Auf der Suche nach der eigenen Bild-Sprache

1938 muss die Familie Newton aus Nazi-Deutschland fliehen. Die Eltern und der Bruder gehen nach Südamerika, der damals 18-jährige Helmut macht sich auf den Weg nach Singapur. Für Newton folgen unstete Jahre, viele Reisen. Über diese Zeit schreibt der stern : »Es ist auch die Zeit der Unzufriedenheit, die Suche nach der eigenen Bild-Sprache. Um zu überleben, knipst er für eine Handvoll Dollar alles, was ihm vor die Linse kommt: Hochzeiten, Kindstaufen, Passfotos, Baby-Leibchen, Strickwaren. Jahrelang übt er sich im Klinkenputzen, wohnt in düsteren Löchern, trinkt billigen Rotwein, raucht wie ein Schlot – und leistet sich einen weißen Porsche mit roten Ledersitzen.«

1948 heiratet Newton die Schauspielerin June Brunell in Melbourne. Die gebürtige Australierin ist für ihn nicht nur Ehefrau, sondern auch Managerin. Anfangs verbietet Helmut ihr, eine eigene Fotografenkarriere unter dem Namen Newton zu beginnen, aus Furcht, sie ruiniere den Namen. Doch er täuscht sich in ihren Fähigkeiten, denn unter dem Pseudonym Alice Springs macht seine Frau eine beachtliche Karriere als Fotografin, während der sie nicht nur das Hut-und-Stöckelbild, sondern auch andere, sehr gelungene Porträtstudien von Helmut macht.

Nackte Obsessionen

    Als Newton sich mit Anfang vierzig in Paris niederlässt, beginnt seine »richtige« Karriere als Modefotograf. Die französische »Vogue« druckt seine Bilder, auf denen er sich in bis dato unbekannter Manier einer sexuellen Detailversessenheit und nackten Obsessionen widmet. Wenn Newton Porträts macht, interessieren ihn nur drei Kategorien Mensch: »solche, die ich liebe, solche, die ich verehre, und solche, die ich hasse.«

    Links

    https://helmut-newton-foundation.org/

    https://gallerease.de/de

    https://www.stern.de/fotografie/retrospektive-revolutionaer-oder-frauenfeind–3888824.html

    Von Carola Güldner

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