Yoshidog

Eine Familie und andere Tiere

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Die Wand zwischen Traum und Tag ist hier nur wie dünnes Pergament, morgens die Augen aufzuschlagen hat etwas von Blättern in Seiten. Das Fenster gibt den Blick aufs Meer und auf der anderen Seite zum Ätna frei. Immer aber aufs Wetter.

Ist der schneebedeckte Vulkan frei, verspricht der Tag sonnig und wohltuend warm zu werden. Bisher war diese wunderschöne Gipfelkette fast ausnahmslos wolkenverhangen, dementsprechend verregnet, neblig und kühl bis kalt waren die Tage.

War es innere Voraussicht, dass ich in einem Anflug von Nichtdenken meine, eigentlich für Schweden gekaufte Thermounterwäsche eingepackt hatte? Eher nicht, denn, wenn ich etwas nicht bin, dann eine vorausschauende oder gar wetterfühlige Person. Was ich aber definitiv von mir behaupten kann, ist eine Tendenz zur Fotografiesucht. Genauso ausgelassen wie die Hunde den Garten bei jedem Wetter durchstöbern, turne ich mit der Kamera hinterdrein. Wie ich gestern im Chat mit einer Freundin feststellen konnte, benötige ich hier so gut wie keine Hundeerziehung.
Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Vielleicht eine Art Authentizität. Denn, da die Hunde den Radius des nicht eingezäunten, riesigen Gartens von sich aus kennen und respektieren, kann ich meinen Fokus komplett auf die Eidechsen, Pflanzen, Elstern, Eichelhäher, Falken, Adler, Ameisen, Fledermäuse, Kiefernzapfen, Lichtreflexe und Muster richten, ohne auch nur einen Gedanken an Sitz, Platz, Bleib zu verschwenden.
Und, wie ich immer wieder erfahren kann, es stimmt: Die Energie folgt der Aufmerksamkeit. Noch kein einziges Mal musste ich die Hunde rufen, wenn ich ganz bei mir und mit meinem Tun beschäftigt war, weil sie ganz automatisch folgten und da die Eidechsen zum Glück schneller als die Hunde sind, brauchte ich noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen haben, wenn die Caniden die kleinen Drachen mit mir entdeckten.

Kurz bevor ich im vergangenen Jahr Sky und kurz darauf Tara gehenlassen musste, fiel mir ein Buch in die Hände: Gerald Durrells „Meine Familie und andere Tiere“. Im Sommer 2018 brachen die Temperaturen alle Hochsommerrekorde und wenn ich nach meinen Spätdiensten im Seniorenheim mit meinen beiden Hunden in Neustadt Holstein in meinem Garten saß, musste ich ob dieser wunderbar humorvollen, erkenntnisreichen und großartigen Lektüre sehr oft laut lachen. Manchmal ist es verrückt, wie sehr Emotionen sich mit Erinnerungen zu einem Knoten verkordeln, denn ich habe dieses Buch leider nie bis zum Schluss gelesen, weil eben Skys Erkrankung und Tod, und gleich darauf Taras schwerste Erkrankung und ihr Tod aufeinander folgten.
Immer, wenn ich später das Buch zur Hand nahm, überkam mich eine unsagbare Trauer, und irgendetwas in mir glaubte wohl, ich hätte, weil es mir an jenen Sommerabenden so gut gegangen war, etwas von dem darauffolgenden Leid verursacht, verschuldet oder ähnlichen Unfug.

Und nun stromere ich jeden Morgen mit Yoshi und ihren beiden hiesigen Freunden durchs Gestrüpp, entdecke alles, was hier so kreucht und fleucht und bin glücklich, Durrells Buch im Herzen mit mir zu tragen, denn manche Episode hier begegnet mir in seinen Worten und ich muss lauthals lachen.

Journalistin, Fotografin, Hundeteamleiterin

Ein Kommentar

  • heike benda-blanck

    vielen Dank für die wunderschöne Beschreibung! es erinnert mich an mein sein mit Kia, das gemeinsame entdecken der Natur, das sehen mit ihren Augen, das erkennen von Gerüchen und hören von Geräuschen, die ich ohne sie nie nie wahrgenommen hätte…. och gehe dann mal träumen. der Mond ist eine feine sichel heute…. liebe Grüße aus Berlin von heike

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