Reisen

Donau, Strom, Schnellen

“Radlwirt”, “Jägermeister”, Namen mit Entfernungsangaben auf verheißungsvollen, grünen Schildern haben mich auf dem Radwanderweg von Passau bis Naarn schon einige Umwege gekostet. Ab Linz wurde es doch etwas schwieriger, denn einige der Gasthäuser, die im öffentlichen und kostenlosen Ebike-Ladesystem angezeigt waren, gab es nicht mehr oder sie öffneten erst gegen 17 Uhr, wie der heute morgen aufgesuchte “Jägermeister”-Gasthof. Der Umweg hat sich dennoch gelohnt, denn der Innenhof des Restaurants bot einige schöne Fotomotive. Zugegeben, ich hatte morgens um 6.30 nicht ernsthaft mit geöffneter Tür gerechnet. Allerdings vermutete ich eine frei zugängliche Stromtankstelle. Dem war leider nicht so, vielleicht habe ich das System der – laut Donau-Radweg-Webseite – 29 vorhandenen Stromsäulen noch nicht ganz verstanden.

Gedanklich starte ich nochmal auf dem wunderschönen Campingplatz in Goldwörth. Angelockt von den gepriesenen sechs umliegenden Seen, dachte ich, Yoshi hätte sicher Spaß an einer Abkühlung vor dem Start zurück auf den schattenfreien Donau-Radwanderweg. Obgleich dieser sich fürs Radwandern bis dahin als perfekt anbot, hatte ich ihn gelegentlich gegen etwas abseitige Schotterweg getauscht, damit Yoshi gelegentlich im Schatten nebenher traben konnte.
An jedem der sechs Seen erwartete mich jedoch das gleiche ungeliebte Schild, nämlich, dass aus hygienischen Gründen Hunde überall fernzuhalten seien. Yoshi behauptete, kaum, dass wir auf den Radweg abgebogen waren, nicht lesen und nicht hören zu können. Ich kam nurmehr rechtzeitig hinzu, eine nackte Frau mit, zum Sonnengruß aufgerichteten Armen, zu warnen, dass mein Hund von hinten auf sie zugeschwommen käme. Lachend erbot sie sich, die genüsslich paddelnde Yoshi am Geschirr hinauszubegleiten. Von da an hatte meine Pubertierende ihre Mittelkralle wieder eingesteckt und wir radelten dann doch guten Mutes voran. Die Verabredung mit Klara und ihren Hunden im Visier, eine Einladung, die über Facebook kam und die noch circa 80 km vor uns lag. Also richtete ich als nächstes Etappenziel Linz im Navi ein und staute nicht schlecht, als die Hindernisse sich nach entspannten Fahrtstunden plötzlich wie ein Alpenvorgebirge vor uns auftürmten.

Zunächst langten wir an einer steilen Abzweigung an einer Straßenüberquerung an, für die wir ziemlich mit full speed einen Anhang erklimmen mussten. Yoshi hatte in Neuötting ja einen Crashkurs im Ziehenhelfen gehabt, nur würde mir das dort nichts nutzen, denn es gab eine von diesen leidigen Absperrungen. Diese Wegverengungen bestehen aus ineinander verkreuzten Gattern und sollen wahrscheinlich eine Verlangsamung beim Herannahen an Gefahrenzonen erreichen. Das gelingt, die Radfahrer aller Coleur stiegen brav ab, schoben leichterdings ihre Gefährte nach oben, kreuzten und traten unbeschwert auf der anderen Seite in die Pedale. Nicht so ich mit meinem long vehicel.

Erst der vierte Biker hatte Erbarmen und erbot sich, beim Schieben zu helfen. Alle anderen überholten ungerührt. Keine zehn Fahrminuten später, das Navi hatte mich gerade instruiert, ich möge dem Radweg nun weitere fünf Kilometer bis Linz folgen, beendete eine beschilderte Schranke abrupt die Fahrt. Rechts trennte mich die vielbefahrene Bundesstraße von einem alternativen Radweg direkt an der Donau. Keine Chance, über die zahlreichen Absperrungen dorthin zu gelangen. Umdrehen? No chance.

Erstaunlicherweise hupte nur ein einziger Autofahrer, und der befand sich noch dazu auf der Gegenfahrbahn, hatte also überhaupt keine Einschränkung durch uns zu erdulden. Ortseingang Linz, endlich die vermeintliche Rettung, wenigstens auf einen Fußweg zu gelangen.

Fatal genug, dass jener so schmal war, dass ich mit einem artistenwürdigen Balanceakt Rad samt Anhänger und Yoshi dort entlanghangelte. Dank einer Verjüngung des ohnehin schmalen Ganges, links vereitelte eine Mauer mein Vorhaben, kippte kurz vor der rettenden Straßenüberquerung der umkippende Hänger meine Absichten. Und auch hier musste ich die beiden jungen Männer tatsächlich erst ansprechen und um Hilfe bitten, sonst hätten sie mich mit dem umgestürzten Debakel tatsächlich stehenlassen.

Dafür erbot sich für Yoshi nach Umschiffung aller Baustellen, Umleitungen und genervter Radfahrer eine paradiesische Wiese mit einem einzigen freilaufenden Hund. Der Staffordrüde Rambo ließ sich – zu Yoshis großer Freude – herbei, mit ihr zu tollen und ließ mein Gutelaunependel wieder nach oben ausschlagen.

Rambos Besitzer offerierte mir sogar, meine stromfressenden Tiere namens iphone, Fahrradakku und Powerbank bei ihm zu Hause aufzuladen. In dem irrigen Glauben, bald auf die nächste kostenlose Ladestation im Freien zu stoßen, lehnte ich dankend ab. Zumal er noch zu einem Vortragsabend verabredet war und ich noch ein paar Kilometer schaffen wollte.

Das Ende dieses Tages ist schnell erzählt: Bei einem Italiener in Abwinden  erkaufte ich mir Strom, Salat, einen Bonsai Veltliner, hatte sehr lustige Unterhaltungen mit den Dorfältesten und wurde am nächsten Hinweisschild einer Tatsache gewahr, die mir bis hierhin noch nicht bewusst war: Sieben Kilometer bis Mauthausen.

Es gibt Ortsnamen, die unweigerlich bedrückende Emotionen hervorrufen. Da ich vor drei Wochen zu meinem Interviewtermin bei einem bayrischen Bio-Bauernpaar über Dachau gereist war, beschlich mich ein Gewahrsein für die – Energie – dieser ehemaligen Konzentrationslagerorte.

Natürlich ist das mein subjektives Empfinden, aber heute morgen in Mauthausen überfiel mich die gleiche bleierne Schicht über der Stadt, das konnte auch der wunderschöne Stadtkern und der blumenbetopfte Bootsanleger nicht übertünchen.

Der Geschichte werde ich einen meiner nächsten Blogbeiträge widmen. Hier muss ich – da das WLAN auf Campingplätzen gelegentlich nur auf zwei Stunden befristet ist, abkürzen. Die Nacht war kurz, sehr kühl und von der laut befahrenen Bundesbahn zur Rechten und dem Schrecken, der direkt neben dem Zelt äsenden Rehe außerordentlich unruhig.

Gesattelt, gespornt und motiviert: Weiter geht es nach Wien…

Journalistin, Fotografin, Hundeteamleiterin

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